Zwischen Schwebebalken und Schulbank: Das Leben der jungen Turnerin Julia

Julia Weissenhofer – Eine junge Elitekunstturnerin aus Liechtenstein

Vom Kinderzimmer ins Trainingslager 🏠➡️🏋️‍♀️

Ich bin Julia Weissenhofer, 16 Jahre alt und die einzige Elitekunstturnerin in Liechtenstein. Meine Leidenschaft für den Sport begann früh in meiner Familie, die sportlich sehr aktiv ist. Meine Mama war im Leichtathletik erfolgreich, mein Papa und mein Bruder Jonas waren ebenfalls sportlich engagiert. Es war also kein Wunder, dass auch ich Leistungssport betreiben wollte.

Mit zehn Jahren musste ich eine große Entscheidung treffen: Sollte ich in Liechtenstein bleiben und Breitensport betreiben, oder sollte ich den Schritt wagen und zu einer Gastfamilie in die Schweiz ziehen, um dort professionell zu trainieren? Ich entschied mich für Letzteres. Das bedeutete, dass ich von zu Hause weggehen und in eine neue Umgebung ziehen musste. Es war nicht leicht, meine Familie nicht jeden Tag zu sehen, aber mit der Zeit gewöhnte ich mich daran und lernte, selbstständig zu sein.

«Corona war für mich persönlich eine Rettung, weil ich Grundlagen trainieren konnte und jetzt mehr Akzeptanz für verschiedene Körpergrössen und -gewichte herrscht.»

Julia Weissenhofer ist 16 Jahre alt und die einzige Elitekunstturnerin in Liechtenstein.

Training und Schule unter einen Hut bringen 🎓🤸‍♀️

Mein Alltag ist geprägt von intensivem Training. Ich trainiere acht Einheiten pro Woche, insgesamt zwischen 23 und 26 Stunden. Daneben besuche ich eine Kanti, ein Gymnasium, das ich statt in vier Jahren in sechs Jahren absolviere. Ich bin die einzige Sportlerin dort, was manchmal schwierig ist, da ich in vielen verschiedenen Klassen bin. Dennoch habe ich viele neue Leute kennengelernt und konnte meine Schule gut mit dem Sport verbinden.

Erfolge und Herausforderungen im Kunstturnen 🥇

In den letzten Jahren konnte ich an vielen internationalen Wettkämpfen teilnehmen, darunter die Europameisterschaften in München und das Youth Olympic Festival in Banská Bystrica. Dieses Jahr war ich beim World Cup in Osijek, Kroatien, und habe es ins Sprungfinale geschafft. Auch bei den Europameisterschaften in Rimini habe ich gut abgeschnitten.

Im Kunstturnen gibt es eine Revolution. Früher war es sehr streng und oft auch unfair. Trainer bevorzugten bestimmte Turnerinnen und es gab viele Vorfälle von Druck und sogar Missbrauch. Doch mit der Zeit hat sich vieles geändert. Corona war für mich eine Chance, grundlegende Übungen zu Hause zu machen und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Heute wird mehr auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Turnerinnen geachtet.

Der Blick nach vorn 🌟

Mein grösstes Ziel ist die Olympiade 2028 in Los Angeles. Ich träume davon, eine Medaille bei den Kleinstaatenspielen zu gewinnen und mein Land international zu vertreten. Um dieses Ziel zu erreichen, werde ich ab Sommer in Dornbirn in ein Sportgymnasium gehen. Dort habe ich bessere Trainingsmöglichkeiten und werde als Gast betrachtet, nicht als Ausländerin.

Meine Freizeit

Trainings habe ich wenig Freizeit, aber ich nutze sie intensiv. Ich verbringe gerne Zeit mit Freunden, besonders mit solchen, die nichts mit dem Sport zu tun haben. Auch mit meiner Cousine unternehme ich viel. Musik ist meine Leidenschaft, ich höre ständig Musik und ziehe mich oft zurück, um einfach nur zu entspannen. Manchmal putze ich sogar gern, das überrascht viele. Familienzeit ist mir ebenfalls wichtig, auch wenn sie oft zu kurz kommt.

Das ganze Interview lesen

Hallo miteinander, herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von 25 unter 25. Heute darf ich Julia Weissenhof recht herzlich bei mir begrüssen. Julia ist 16 Jahre alt und momentan die einzige Elitekunstturnerin in Liechtenstein. Sie hat sich mit 10 Jahren entscheiden müssen, wie es für sie im Sport weitergeht und hat sich dafür entschieden, zu einer Gastfamilie zu ziehen, um in einem Kader in der Schweiz zu turnen. Hui, Julia, ich habe megafreude, dass du heute da bist.

Ja, hallo von mir und danke vielmals, dass ich da sein darf.

Wir beginnen gleich mit unserem Auflockerungsspiel. Würdest du jetzt diese Karte auswählen und sie mir übergeben? Danke schön. Bitte die erste Frage, die ich habe: Für wen würdest du ein Verbrechen verschweigen?

Ja, sehr für die Familie, so oder so, für megaenge Kollegen, ja.

Die zweite Frage, die ich habe: Hast du eine besondere Kindheitserinnerung?

Ja, also sehr. Die Ferien mit meiner Familie waren recht eindrücklich. Wir haben immer Orte ausgesucht, die ausserhalb der, sagen wir mal, bekannten Ferienorte lagen. Wir sind immer auf spezielle Inseln oder so gegangen und haben die Welt von einer ganz anderen Seite gesehen, also nicht immer die schönen Seiten, sondern auch die Armut. Das war schon sehr eindrücklich, ja.

Die letzte Frage, die ich habe: Wie stehst du zu einem gemeinsamen Konto in einer Beziehung?

Nein, also ich sage dir ehrlich, es ist okay so in einer Ehe, ja, aber in einer Beziehung würde ich eher sagen, getrennt. Es ist dein Geld und sein Geld und ja, dann ist man schon auf sich selber angewiesen. Man muss nicht direkt alles teilen, ja.

Danke vielmals. Wie hat es bei dir im Sport angefangen?

Ja, also Sport ist eigentlich seit klein auf ein sehr wichtiger Punkt in meinem Leben oder der ganzen Familie. Schon meine Mama und mein Papa sind sehr sportlich und dann mein Bruder Jonas, oh recht früh recht sportlich. Dann war eigentlich klar, dass alle Sport machen und dadurch, dass meine Mama recht erfolgreich im Leichtathletik war, also bei den Olympiaden, war für mich auch recht schnell klar, dass ich auch Leistungssport machen will. Am Anfang war es dann Leichtathletik, dann bin ich ins Eiskunstlaufen gegangen, aber das wurde mit der Zeit langweilig. Dann habe ich das Kunstturnen im Fernsehen gesehen und gedacht, ja, geh mal schauen. Aber zuerst war ich in einem anderen Verein, aber das war mir dann zu langweilig oder nicht anstrengend genug. Dann bin ich über Dagmar Pawlikova ins Kunstturntraining und es hat mir extrem Spass gemacht. Seitdem bin ich fest im Kunstturnen.

Du bist mit 10 Jahren von zuhause weg, um in der Schweiz in einen Kader zu gehen. Wieso hast du diese Entscheidung treffen müssen?

Schon recht früh bin ich nach Wil gegangen, dann hat meine Mama mich jeden Tag hin und zurück gefahren und immer gewartet, bis ich mit dem Training fertig war und mich dann nach Hause gebracht. Aber mit der Zeit kam die Frage, wie es nach der Primarschule weitergeht. Mache ich einfach Breitensport oder mehr? Dann war recht schnell klar, dass ich in eine Gastfamilie will, dort wohnen und zur Schule gehen will. Es kam wirklich von mir und meine Eltern haben mich dabei unterstützt. Dann ist alles ins Rollen gekommen und ich bin dann dort unten in die Schule gegangen und habe dort gewohnt.

Wie war es für dich, mit 10 Jahren von zuhause wegzugehen?

Es war schon ein bisschen anders. Ich hatte nie gross Heimweh, auch nicht in Lagern oder Schullagern. Darum war es für mich nicht so schwierig, aber es war komisch, die Eltern und den Bruder nicht jeden Abend zu sehen, nur über Facetime. Man merkt, dass die Nähe fehlt. Am Anfang war es schwer, die Landluft und die Berge fehlten, aber mit der Zeit habe ich gelernt, damit umzugehen.

Wie viel Training hast du in der Woche im Kader?

Ich habe jetzt 8 Einheiten und trainiere je nach Phase zwischen 23 und 26 Stunden pro Woche.

Wie läuft es schulisch ab, wie jonglierst du das?

Ich bin in der Kanti, wahrscheinlich einem Gymnasium. Statt in 4 Jahren mache ich es in 6 Jahren, also wie ein Sportgymnasium. Ich bin aber die einzige Sportlerin dort, bin in vielen verschiedenen Klassen. Es ist ein bisschen schwierig, aber man lernt damit umzugehen und kennt dadurch viele Leute. Es gibt mir die Möglichkeit, mehr Sport zu machen als Schule und gibt mir auch die Möglichkeit, den Lehrstoff später nachzuholen. Die Schule wird um die Trainingszeiten herum geplant.

Hast du schnell Anschluss gefunden? Es muss schwierig sein, wenn du immer in verschiedenen Klassen bist. Wie ist das bei dir abgelaufen?

Am Anfang wurde ich ins kalte Wasser geworfen. Ich kannte niemanden, vorher war ich immer mit den Turnerinnen aus meiner Gruppe in der Schule. Aber bei der Aufnahmeprüfung habe ich es leider nicht geschafft und war dann die einzige. Es war schwierig, Leute kennenzulernen, aber ich habe schnell angefangen, mit Leuten zu reden und jetzt habe ich viele Kollegen, auch wenn ich nicht immer ganz dazu gehöre, weil ich nicht die ganze Zeit dort sein kann.

Welche Geräte gibt es im Kunstturnen?

Es gibt vier Geräte: Schwebebalken, Stufenbarren, Boden und Sprung. Im Training ist mein Lieblingsgerät der Schwebebalken, aber im Wettkampf ist es der Sprung oder der Boden, weil man dort mit Musik und Choreografie seine Persönlichkeit präsentieren kann.

Du trittst bei Wettkämpfen für Liechtenstein an und bist die einzige Kunstturnerin. Wie ist es, die einzige zu sein?

Es ist megacool. Viele sagen, sie wollen ein Team um sich haben, aber ich bin lieber allein, kann mich auf mich fokussieren. Ich kann keine Mannschaftssportarten machen, bin ehrgeizig und teile nicht gern. Ich kann meine Sachen selbst entwerfen, vor allem meine Dresse. Das ist etwas Besonderes und ich kann meine eigenen Ideen einbringen und präsentieren.

Wie läuft es ab, wenn du eine Dress entwerfen darfst?

Ich setze mich hin, mache Entwürfe und schicke sie an eine Designerin in Deutschland. Sie macht dann Vorschläge, wir kommunizieren und so entsteht die Dress. Es ist kostspielig, aber für einen grösseren internationalen Wettkampf lohnt es sich.

Bei welchen internationalen Wettkämpfen hast du schon mitgemacht?

In den Juniorenjahren war ich bei den Europameisterschaften in München und beim Youth Olympic Festival in Banská Bystrica. Dieses Jahr, mein erstes Jahr in der Elite, war ich beim World Cup in Osijek, Kroatien und habe es ins Sprungfinale geschafft. Danach war ich bei den Europameisterschaften in Rimini, wo ich 72. von 155 wurde. Letzte Woche war ich bei den Schweizer Meisterschaften und habe gut abgeschnitten, unter den Top 5.

Wie läuft die Anmeldung oder Qualifikation für solche Wettkämpfe ab?

Ich muss bestimmte Elemente turnen, für die Europameisterschaft waren es 12 vorgegebene Elemente. Schweizerinnen mussten eine bestimmte Punktezahl erreichen, bei mir war es anders. Ich habe die Elemente geturnt und durfte dann teilnehmen.

Wie bereitest du dich auf einen Wettkampf vor, hast du Rituale?

Ich stehe um 9 Uhr auf, bereite alles vor und esse am Mittag immer Nudeln mit Speck und Käse. Das gehört zu meinem Ritual. Dann mache ich mich fertig, Mentaltraining mit meiner Mentaltrainerin und spezifische Übungen. Dann fahren wir zum Wettkampf.

Hast du ein Must-Have bei Wettkämpfen, das immer dabei sein muss?

Ich brauche immer meine Turngegenstände und einen Haargummi an meinem rechten Unterarm. Das ist meine Stabilität, mein Ausgleich. Es muss einfach da sein, ich weiss auch nicht warum.

Was machst du neben der Schule und dem Training?

Es bleibt wenig Zeit, aber ich verbringe gerne Zeit mit Kollegen ausserhalb des Sports oder mit meiner Cousine. Ich höre gerne Musik und ziehe mich manchmal zurück. Meine Mama regt sich auf, weil ich immer Kopfhörer trage, aber es ist meine Leidenschaft. Ich putze auch gerne, obwohl man das vielleicht nicht denkt. Ich verbringe auch gerne Zeit mit der Familie, auch wenn das manchmal kurz kommt.

Wie funktioniert deine Work-Life-Balance im Leistungssport?

Es ist wichtig, ein soziales Leben zu haben, weil der Sport von heute auf morgen vorbei sein kann. Alkohol und Rauchen sind nichts für mich. Ich bin von klein auf abgeschottet von solchen Dingen. Wenn ich mit dem Kunstturnen

aufhöre, kann ich immer noch mein Leben leben.

Hast du schon einmal eine grössere Verletzung gehabt?

Ich musste noch nie operiert werden, was ein gutes Zeichen ist. Ich hatte schon ein paar Brüche, aber nach 4-5 Wochen Pause geht es wieder. Man kann immer etwas trainieren, auch wenn ein Teil des Körpers verletzt ist. Ich spüre meinen Körper gut und weiss, wann ich weniger oder mehr machen muss.

Momentan gibt es eine Revolution im Kunstturnen. Kannst du uns darüber erzählen?

Es gibt im Moment eine Revolution im Kunstturnen. Mein Trainer sagte mir, ich sei zu gross fürs Turnen. Später kam heraus, dass er sexuelle Übergriffe gegenüber Turnerinnen hatte. In Deutschland und Amerika gab es ähnliche Vorfälle, aber mehr mit Druck, Doping und Spritzen. Corona war für mich persönlich eine Rettung, weil ich Grundlagen trainieren konnte. Jetzt sind viele Turnerinnen fraulicher und es gibt mehr Akzeptanz für verschiedene Körpergrössen und -gewichte.

Wie geht es jetzt für dich weiter?

Ich habe beschlossen, ab Sommer in Dornbirn ins Sportgymnasium zu gehen. Dort habe ich 5 Minuten Fußweg zum Trainingszentrum. Es ist etwas anderes als in der Schweiz, weil ich dort als Ausländerin abgestempelt wurde. In Dornbirn werde ich als Gast betrachtet. Das macht einen Unterschied und darum habe ich mich dafür entschieden. Ich will mein Gymnasium abschliessen und eine Grundlage haben, falls ich später studieren möchte.

Was ist dein Traum im Turnen?

Mein grösstes Ziel ist die Olympiade 2028 in LA. Ich will eine Medaille bei den Kleinstaatenspielen gewinnen und international für Liechtenstein antreten.

Danke vielmals für das Gespräch. Es war megainteressant und hat mir mega Spass gemacht, heute mit dir über Kunstturnen zu reden.

Danke vielmals. Ich danke dir.

Danke, ich möchte mich auch bei allen Zuhörern recht herzlich für das Zuhören bedanken und freue mich schon mega auf den nächsten Podcast. Tschüss und bis zum nächsten Mal.

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