Ntumba im Portrait: Mit der Kamera gegen Vorurteile

Hoi miteinander! Ich bin Ntumba Adao, 25 Jahre alt, und zurzeit in der Fachklasse Fotografie an der F+F in Zürich. Fotografie ist meine grosse Leidenschaft, und ich möchte euch heute über meinen Weg, meine Träume und die Herausforderungen, die ich gemeistert habe, erzählen.

Die Reise zur Fotografie

Mein Weg in die Fotografie begann nach einem Praktikum im aha und bei einem weiteren Praktikum bei der Jugendarbeit, das ich aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste. Diese Zeit war eine intensive Phase der Selbstreflexion und Heilung. Ich musste mich meinen inneren Blockaden stellen und herausfinden, was ich wirklich vom Leben will. Die Entscheidung, mich in der Kunstschule in Nendeln und später an der F+F in Zürich einzuschreiben, war der erste Schritt in Richtung meiner wahren Berufung. Hier entdeckte ich die vielfältigen Facetten der Fotografie, von Sport- bis Porträtfotografie.

Überwindung von Hindernissen

Eine meiner prägendsten Erfahrungen war der Umgang mit strukturellem Rassismus, besonders bei der Beantragung meines Stipendiums. Aufgrund meines Aussehens und meiner Herkunft wurde ich zunächst skeptisch betrachtet und musste immer wieder beweisen, dass ich dazugehöre. Diese Herausforderung war frustrierend, aber sie hat mich stärker und entschlossener gemacht, für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung einzutreten. Dank der Unterstützung von Sozialarbeitern und Psychiatern konnte ich diese Hürden überwinden.

Aktivismus und Inspiration

Rassismus hat mich persönlich getroffen und mich dazu motiviert, meine Stimme zu erheben. Besonders der Fall George Floyd hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, Missstände sichtbar zu machen und Veränderungen anzustossen. Ich nutze meine Plattform, um Bewusstsein zu schaffen und andere zu inspirieren, aktiv zu werden. Jeder von uns kann etwas bewirken, sei es durch Spenden, Petitionen oder einfache Zivilcourage im Alltag.

Der Schritt nach Berlin

Mein nächstes grosses Abenteuer führt mich nach Berlin, eine Stadt voller Kreativität und Möglichkeiten. Ich freue mich riesig auf mein Praktikum dort und hoffe, viele neue Erfahrungen zu sammeln. Berlin ist viel grösser als Liechtenstein und bietet eine dynamische und inspirierende Umgebung. Die Möglichkeit, bei meiner Schwester zu wohnen und mit ihr zu arbeiten, gibt mir ein Gefühl von Unterstützung und familiärer Nähe.

Suche nach dem Praktikum

Die Suche nach einer Praktikumsstelle in Berlin war eine Herausforderung. Ich habe viele E-Mails geschrieben und bin mehrfach nach Berlin geflogen, um vor Ort zu suchen. Durch die Kontakte meiner Schwester konnte ich schliesslich eine Stelle finden. Diese Unterstützung war unglaublich wertvoll für mich, und ich bin dankbar, diese Chance zu haben.

Technische Herausforderungen und Ausrüstung

An der F+F habe ich viel über die technischen Aspekte der Fotografie gelernt. Zuerst dachte ich, dass ich schon viel weiss, aber als es um Lichtberechnungen und andere Details ging, wurde mir klar, wie viel ich noch lernen muss. Die Prüfungen waren hart, besonders die Zwischenprüfungen, bei denen viele meiner Klassenkameraden Schwierigkeiten hatten. Durch praktische Erfahrungen, besonders in Modulen wie der Sportfotografie, habe ich viel gelernt.

Investitionen in die Zukunft

Die Ausrüstung für die Fotografie ist teuer. Eine gute Kamera, verschiedene Objektive, ein Blitz und ein MacBook gehören zur Grundausstattung. Im ersten Jahr konnten wir vieles ausleihen, aber ab dem zweiten Jahr ist eine eigene Vollformatkamera Pflicht. Diese Investitionen sind notwendig, um qualitativ hochwertige Arbeit leisten zu können, und obwohl sie teuer sind, sind sie eine Investition in meine Zukunft.

Faszination für analoge Fotografie

Ein weiterer spannender Aspekt meiner Ausbildung ist die analoge Fotografie. Wir lernen, Farb- und Schwarz-Weiss-Filme zu entwickeln und arbeiten sogar mit einfachen Mitteln wie einer Schuhkarton-Kamera. Diese Techniken erfordern viel Konzentration und Planung, was ich sehr schätze. Analoge Fotografie bringt eine ganz andere Tiefe und Qualität in meine Arbeit.

Zukunftspläne und Abschlussexamen

Die Abschlussprüfungen an der F+F sind umfangreich und fordernd. Neben der praktischen Arbeit gibt es theoretische Prüfungen und Aufgaben in Photoshop. Der Abschluss ist eine grosse Herausforderung, aber auch eine Chance, das Gelernte zu zeigen und sich weiter zu entwickeln. Nach dem Abschluss plane ich, einen geförderten Aufenthalt zu machen, vielleicht in Berlin zu bleiben oder nach Liechtenstein zurückzukehren. Beide Orte haben ihren Reiz, und es wird davon abhängen, wie sich meine Erfahrungen in Berlin entwickeln.

Abschliessende Gedanken

Zum Schluss möchte ich allen jungen Leuten sagen: Lasst euch nicht reinreden. Hört auf euer Herz und verfolgt eure Träume, auch wenn der Weg schwierig ist. Kreativität und Mut werden belohnt.

Interview lesen

Hoi miteinander und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von 25 unter 25. Heute habe ich die Ntumba auf Besuch. Ntumba ist 25 Jahre alt und ist momentan in der Fachklasse Fotografie an der F+F in Zürich. Wir reden heute über ihre Ausbildung und was sie so für Träume hat. Hoi, Ntumba, und danke vielmals, dass du heute da bist.

Hoi, freut mich auch.

Wir tun dann gerade mit unserer Auflockerungsrunde starten. Du dürftest jetzt hier drei Kärtchen haben, die mir übergeben und dann in kurzen Runden beantwortet werden. Hast du Narben und gibt es eine besondere Geschichte dazu?

Ja, an meinem Finger, also an meinem Daumen. Ich bin als Kind einmal Velo gefahren und wir haben so eine Steinmauer gehabt bei uns beim Block, halt aus Farbe. Dann bin ich dort mit dem Velo mega halt drangekommen mit meinem Finger und ich habe vor, so halt den Finger aufgeschliffen gehabt und heute habe ich dort halt noch so dicke Haut. Das ist das Einzige, was mir gerade einfällt.

Hast du schon mal jemanden verloren, der dir sehr nahe stand?

Ja, mein Hund.

Die letzte Frage ist, möchtest du mal Kinder haben und wenn ja, wie viele?

Ich glaube schon, dass ich mal Kinder haben möchte, weil ich finde die Vorstellung, dass man so seine Werte so wie in Minime weitergeben kann, megaschön. Ich glaube, so zwei Kinder, das reicht.

Okay, danke vielmals für deine spannenden Antworten. Ich möchte jetzt weitermachen mit meinen Fragen. Die erste Frage, die ich habe, ist: Du hast ja 2018/2019 das Praktikum im aha gemacht, also das gleiche, was ich jetzt mache. Wie ist es für dich danach weitergegangen?

Also ich habe nach dem Praktikum bei der Jugendarbeit angefangen, musste aber aufhören wegen gesundheitlichen Gründen. Dann habe ich mich mal recht lange mit meiner Psyche auseinandergesetzt, weil ich gemerkt habe, ich habe einiges aufzuarbeiten und es blockiert mich immer wieder, wenn ich etwas Neues anfange. Dann habe ich eben die F+F angefangen, also zuerst noch die Kunstschule in Nendeln und dann die F+F.

Hast du das Gefühl, dass dir die Kunstschule weitergeholfen hat oder dich weitergebracht hat, um nachher den Ausbildungsplatz bei der F+F zu erlangen?

Ich glaube schon, weil man halt sehr viele Arbeiten macht, die man dann ins Portfolio nehmen kann, und man lernt halt so viel Neues kennen. Du kannst dann wirklich sicher sein, dass du das machen möchtest, weil du halt so viele verschiedene Sachen ausprobierst. Ich denke auch, dass ich persönlich sehr viel wachsen konnte, weil man jeden Tag in einem Raum ist mit Leuten, die das gleiche machen wie du oder auch kreativ tätig sind.

Würdest du Leuten weiterempfehlen, die sagen, sie möchten noch einmal in den kreativen Bereich gehen, zuerst den Vorkurs an der Kunstschule zu machen?

Auf jeden Fall, ja.

Okay, du bist jetzt momentan an der F+F im Bereich Fotografie. Möchtest du mal erzählen, was dort so alles dazugehört, was du so in der Schule lernst und so?

Ja, also wir decken eigentlich so jede Art von Fotografie ab. Es ist wie eine Kunstschule, du hast einfach einen tiefen Einblick. Wir haben zum Beispiel Sportfotografie, Porträts, Objekte, und dann lernt man halt zum Beispiel, wie man Weinflaschen richtig fotografiert oder retuschiert. Photoshop ist sehr intensiv und nach jedem Modul stellen wir immer wieder unsere Bilder vor. So lernst du, über deine Arbeiten zu sprechen. Das dritte Jahr ist eigentlich ein volles Praktikumsjahr, damit du mal so einen Einblick in die Arbeitswelt hast. Ich würde sagen, man hat wirklich einen breiten Umfang, was wir lernen, also technisch. Es ist eine technische Ausbildung.

Was interessiert dich am meisten oder in welche Richtung von Fotografie möchtest du mal gehen?

Porträtfotografie. Mode interessiert mich sehr, aber auch Storytelling. Ich erzähle mega gerne Geschichten von Leuten. Ich denke, es zieht mich auch in diese Richtung.

Von der F+F hört man, und es ist ja auch eine Tatsache, dass es eine sehr teure Schule ist. Wie finanzierst du es persönlich?

Also die F+F wird unterstützt vom Amt für Berufsbildung, aber nur, wenn du die Fachklasse machst. Fachklasse Grafik gibt es ja auch noch, und sie übernehmen eigentlich fast mehr als die Hälfte. Der Rest wird durch Stipendien bezahlt. Liechtensteiner haben da richtig Glück, bei den Schweizern schaut es nicht so rosig aus.

Gerade bei der Stipendienstelle hast du mir im Vorgespräch so eine spezielle Situation erklärt, was dort abgelaufen ist. Was ist dir dort passiert?

Also ich bin zuerst mal an den Schalter gegangen, um mich zu informieren, was es dann braucht. Dann hat man zuerst einmal in Deutsch gefragt, ob ich schon drei Jahre hier wohne. Ich denke halt, dass man mein Aussehen gesehen hat und damit gerechnet hat, dass ich nicht Deutsch spreche oder dass ich keine Liechtensteinerin bin. Dann habe ich halt normal im Dialekt geantwortet und dann war auch ganz klar, dass ich sicherlich schon drei Jahre hier wohne. Ja, als ich dann den Antrag gemacht habe, gab es ein bisschen Probleme, weil man immer wieder behauptet hat, dass meine Eltern zu viel verdienen, was nicht stimmt. Ich habe mich dann noch einmal mit einem Sozialarbeiter zusammengesetzt und er hat mir gesagt, dass es allgemein so ein strukturelles Rassismusproblem gibt bei den Ämtern bei uns.

Wie hast du das dann angegangen, weil du hast ja jetzt das Stipendium gekriegt? Was ist dann dort passiert?

Ich habe noch Kontakte gehabt über den Sozialarbeiter und den Psychiater, die sich dann einmal eingesetzt haben. Sie haben dann dort angerufen und dann gibt es halt Druck, damit es nicht nach aussen gelangt. Dann ist das eigentlich recht schnell gegangen.

Ich finde es megaschade, dass es gerade so bei den Ämtern, wo man es eigentlich am wenigsten braucht, immer noch so Diskriminierung gibt und dass es eigentlich Vitamin B braucht, damit man trotzdem gehört wird. Aber ich finde es schön, dass du die Geschichte erzählst. Ich finde, dass man mehr Transparenz in Liechtenstein haben sollte. Es ist nicht immer überall so gerecht, wie man denkt, dass es sein sollte, ja.

Auf jeden Fall. Ich habe schon von anderen Kollegen gehört, die auch Wurzeln im Ausland haben. Ich habe das Gefühl, es ist nicht nur bei mir so, es geht ganz vielen so. Ich habe einfach das Glück gehabt, dass ich Leute kenne, die die Mitarbeiter auf dem Stipendienamt kennen. Andere haben dieses Glück nicht. Was macht man dann, das ist die Frage.

Du hast jetzt momentan, also du hast jetzt im nächsten Schritt deiner Ausbildung dein Praktikumsjahr oder dein Praktikum, das vor dir steht. Wo geht es für dich dort hin?

Also ich gehe nach Berlin, ja, ich freue mich mega und hoffe, dass ich viel lernen kann. Es wird sicher ganz anders, weil Berlin ist so viel grösser als Liechtenstein, aber ja, ich freue mich richtig.

Wie findet man so eine Praktikumsstelle in Berlin? Was hast du dort für Schritte gesetzt, um zu deinem Praktikum zu kommen?

Wir haben natürlich ehemalige Schüler, die so eine Dokumentation schreiben mussten. Dann kann man sich dort auch mal melden und unsere Ausbildner haben natürlich auch Kontakte. Viel läuft auch über Instagram. Man sieht halt, das ist ein Fotograf in Berlin, könnte mal eine E-Mail schreiben, dann schickt man das Portfolio mit. Ich bin jetzt eigentlich fast jede Ferien, die ich gehabt habe, nach Berlin geflogen und habe vor Ort auch ein bisschen gesucht. Ich hatte das Glück, dass meine Schwester im Kreativbereich tätig ist und dann kann ich bei ihr ein Praktikum machen.

Ja, sehr schön. Du setzt dich auch immer wieder auf deinen sozialen Medien und allgemein gegen Rassismus ein. Was hat dich dort so motiviert, dass du sagst, ich nutze jetzt meine Stimme, die ich habe, dafür?

Bei mir war es so ein bisschen der Auslöser, dass es mich selber betrifft. Wenn man so andere Fälle sieht wie jetzt bei George Floyd, dann hat man immer wieder das Gefühl, das könne nicht sein. Auf Social-Media-Sachen zu reposten bringt auf jeden Fall auch etwas, weil die Medien reden fast nie darüber und so wird es in die Welt hinaus getragen. Aber um aktiv etwas zu machen, ja, schwierig. Zum Beispiel jetzt ist ja viel Krieg und im Kongo, mein Papa ist aus dem Kongo, und ich habe mich dann auch gefragt, was kann ich machen, nicht nur auf Social Media posten. Ja, man kann spenden, es gibt so viele Aufrufe auf Plattformen, wo man Geld spenden kann und dann hilfst du halt den Leuten aktiv. Ich habe das Gefühl gehabt, im Liechtenstein, es ist so klein, meine Stimme ist glaube ich schon recht gross, weil fast niemand darüber redet.

Was denkst du, was junge Leute so wie du bei uns im Liechtenstein machen können, um sich aktiv dafür einzusetzen und dass man auch merkt, hey, schau die Person, die das macht, das ist jetzt wichtig? Was findest du so Sachen, die jeder Mensch machen kann und machen sollte?

Ich denke, es ist wichtig, sich Wissen zu holen. Jeder Mensch kann sich informieren, jeder hat ein Handy, jeder hat Internet, man kann so viel recherchieren, wenn man etwas wissen möchte. Ich glaube, Wissen ist Macht und ich denke auf jeden Fall auch, dass man so wie Privilegien nutzen kann, eben Petitionen unterschreiben. Ich finde vor allem auch die Zivilcourage megawichtig. Oft sieht man vielleicht auf der Strasse etwas oder im Alltag, wo jemand Rassismus erlebt und man schaut dann einfach und denkt, ja, es betrifft mich nicht. Vielleicht wäre es auch mal gut, wenn man etwas sieht, ja.

Hast du selber vielleicht einen Tipp, weil im Internet, wenn man so recherchiert, sind ja auch ganz viele Fake News. Hast du selber für diesen Filter, wo du siehst oder nimmst du auch einfach alles mal auf und tust dann so selber selektieren? Was hast du dort für einen Tipp, um voneinander zu unterscheiden, was jetzt richtig und was falsch ist?

Es gibt mega viele Aktivisten, zum Beispiel auch von Deutschland. Aminata Belli ist eine sehr bekannte Journalistin aus Berlin und sie macht auf ihrem Profil eigentlich wie Aufklärungsarbeit. Es gibt auch Bücher, die man lesen kann, weil dort sind wirklich wichtige Informationen drin. Ich würde auf jeden Fall Bücher lesen oder einfach mal schauen, was es für Aktivisten gibt.

Hast du vielleicht gerade, wenn du so Bücher erwähnst, einen Buchtipp, wo du sagst, das finde ich ein super Buch und empfehle jedem zum Lesen?

Ich glaube, die Autorin heisst Alice Hasters. Ich bin mir gerade nicht sicher, aber ich glaube, ihr Buch heisst “Warum ich nicht mehr mit Weissen über Rassismus rede”, in diese Richtung geht es. Finde ich ein richtig gutes Buch. Sie hat auch mehrere Bücher schon geschrieben.

Hast du Hoffnungen oder Wünsche, wo du sagst, ich möchte, dass das Liechtenstein oder allgemein die Welt in Hinblick auf Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit hinweist?

Ich denke, man könnte einmal Veranstaltungen machen. Wenn man in der Umgebung herumschaut, in Zürich zum Beispiel, gibt es immer wieder Veranstaltungen und Proteste. Ich denke, man muss jetzt nicht gerade Protest machen, aber so Veranstaltungen zum Beispiel das Afrika Fest, das jahrelang gewesen ist. Ich weiss nicht, ob es das noch gibt. Jetzt finde ich es super, weil so kriegen die Leute einen Einblick in die Kultur. Man kann Essen probieren oder in Winterthur gibt es immer an Pfingsten ein Afropfingsten. Dort hat es verschiedene Stände, es gibt Ausstellungen, Tanz-Workshops und Clubs. Alles, was den Leuten fremd ist, schafft eine gewisse Distanz, und wenn man Veranstaltungen macht, bringt man es den Leuten ein bisschen näher, wie die Pride zum Beispiel. Das finde ich eine super Veranstaltung.

Hast du selber in deinem kreativen Bereich schon Vorfälle gehabt oder gibt es dort Situationen, die dir passiert sind?

Wenn ich erzähle, was ich mache, fragen viele, was machst du so, und ich sage dann, ich bin in der Ausbildung zur Fotografin. Dann sagen viele, das ist doch gar keine Ausbildung. Fotos kann jeder machen. Es gibt immer das Vorurteil, dass man einfach nur eine Kamera nimmt und abdrückt und dass jeder ein Foto machen kann. Viele Leute wissen gar nicht, was dahintersteckt. Es ist eine technische Ausbildung. Wir lernen technisch sehr viel. Ja, die Kamera kann jeder drücken und die Automatik einstellen, dass alles selber gemacht wird, aber viele verstehen nicht, dass man das Auge dafür braucht. Man muss das Auge trainieren, dass man Situationen sieht, die wirklich schön und ästhetisch aussehen. In manchen Bereichen kann Fotografie natürlich auch Kunst sein. Das muss man auch abwägen. Aber ja, ich habe das Gefühl, dass ich dem Vorurteil “Fotografieren kann jeder” oft begegne.

Ich habe es selber gemerkt, als ich in den Bereich gekommen bin. Wir tun ja auch viel fotografieren, und als man mir dann mal so die Kamera in die Hand gedrückt hat mit dem Licht und der Blende und dem ganzen Zeug, hat man mir so viel erklärt. Ich komme bis heute noch nicht draus, verstehe es vorne und hinten nicht. Ist es dir leicht gefallen, die manuellen Einstellungen der Kamera kennenzulernen?

Zuerst habe ich gedacht, als ich zur F+F ging, also ich kann das schon, das habe ich schon im Kopf, aber wenn es dann um Lichtberechnungen geht, habe ich gemerkt, es ist gar nicht so einfach. Bei Prüfungen haben wir wie so Fragen, ja, wenn du jetzt auf der Autobahn bist und du willst eine Langzeitbelichtung machen, was musst du dann machen? Dann musst du dich richtig in die Situation versetzen und wissen, ja, wenn ich die Blende so verstelle, dann muss die Zeit so und ISO so. Ich denke, man muss es lernen und wenn es einmal Klick gemacht hat, dann ist es im Kopf. Wir haben jetzt gerade in der Schule Zwischenprüfungen gehabt, das ist eine Vorbereitung, wie es dann bei der LAP sein wird. In meiner Klasse haben technisch nur zwei Leute bestanden, weil sie es so hart bewerten. Man legt dann seine Arbeiten aus, es ist so eine Aufgabe gewesen, und man denkt ja, ich habe es eigentlich noch gut gemacht. Beim Gespräch merkt man dann, oh, ich glaube, ich muss noch ein bisschen nachholen und mein Wissen erweitern.

Was hat dir dort am meisten geholfen? Ist es wirklich so in die Theorie gehen und lernen oder die Kamera in die Hand nehmen und einfach ausprobieren und so lernen?

Auf jeden Fall die Theorie, aber ich glaube, praktisch lerne ich am besten. Zum Beispiel, als wir das Modul Sportfotografie gehabt haben, da musst du recht schnell sein und die Leute bewegen sich ständig. Dann musst du das wirklich im Griff haben, weil sonst ist der Mensch komplett verschwommen. Dort habe ich praktisch am meisten gelernt. Wir waren in Oerlikon bei der Rennbahn und dort waren verschiedene Velofahrer, die ein rechtes Tempo hatten. Wenn jemand gewonnen hat, hat er einen Strauss hochgehalten und dann musst du voll da sein. Dort habe ich am meisten mitgenommen.

Kameras und all dieses Zeug ist ja recht teuer. Wird es bei euch von der Schule gestellt oder müsst ihr es selber organisieren oder kaufen? Wie schaut das aus?

Im ersten Jahr ist es noch nicht Pflicht, mit einer Kamera zu kommen, weil man eine Einführung hat und die Lehrpersonen zeigen, was gut wäre. Im zweiten Jahr ist es dann Pflicht, eine Vollformatkamera zu haben. Wir haben eine Ausleihe dort, da kann jeder Schüler Computer und Kameras ausleihen, wirklich alles Mögliche. Für den Anfang kann man eine Kamera ausleihen, aber im zweiten Jahr braucht man dann eine eigene und muss schon ein Budget einplanen. Es kommt darauf an, was du willst, Sony, Nikon oder Canon. In meiner Klasse haben viele am Anfang Canon gehabt, sind dann aber auf Sony umgestiegen. Meine Kamera, nur der Body, also ohne Objektiv, hat 4’000 Franken gekostet und dann brauchst du noch verschiedene Objektive. Das hat dann noch einmal 2’000 Franken gekostet. Dann brauchst du noch einen Blitz, ein Stativ, also es summiert sich. Du brauchst auch noch ein MacBook, weil du die Daten dort verarbeiten musst.

Ist das MacBook Pflicht oder reicht da jeder andere Computer?

In der F+F muss man ein MacBook haben, weil wir einen Server haben, auf dem wir Bilder ablegen müssen, und der ist halt nur kompatibel mit Mac.

Also du hast jetzt zur Grundausstattung eine Kamera, Objektive, ein Stativ und einen Blitz. Hast du sonst noch irgendwelche Sachen, die du dir zugelegt hast oder die du gerne haben möchtest?

Es gibt Filter, zum Beispiel Prismafilter, die man auf die Linse schrauben kann, sowas habe ich mir zugelegt. Ich habe mir noch ein Teleobjektiv gekauft, das benutzt man oft in der Sportfotografie. Du kannst damit Landschaften oder Tiere fotografieren, das benutze ich oft. Aber sonst sind es nur so Farbfolien, die man über die Softbox legen kann beim Fotografieren, sowas habe ich noch selbst gekauft. Aber sonst, ja, ich habe Träume, aber die sind sehr teuer.

In letzter Zeit kommen immer wieder alte Kameras zurück in den Trend, Filmkameras oder Polaroids. Bist du auch in diesem Ding drin, dass dir alte Fotos mega gut gefallen, oder bist du eher so, ich habe lieber neue und klare Fotos? Wie schaut das bei dir aus?

Also ich finde analog super. Wir lernen nur in der F+F analoge Fotografie, also Farbfilme und Schwarz-Weiss-Filme entwickeln. Es ist ein super spannendes Modul gewesen. Das erste Modul war mit einem Schuhkarton Fotos zu machen, das nennt man die Kamera Obscura. Man lernt so viel. Momentan tue ich auch recht viel analog fotografieren und ich finde es einfach cool, du musst dich viel mehr konzentrieren, was will ich jetzt für ein Bild machen. Beim Digitalen kannst du einfach abdrücken und hast mega viele Fotos. Wir haben auch von der Lernenden an der Fachkamera gearbeitet. Dort hat man wirklich sehr viel Spielraum. Ich muss sagen, analoge Fotografie ist zum Teil viel klarer als digital. Bei den Bieler Fototagen hat jemand eine Ausstellung gehabt mit der Fachkamera, es war so klar. Also ich glaube, analog ist schon noch ein Ding.

Wie schaut eure LAP aus? Wie ist sie aufgebaut? Was müsst ihr dort machen?

Wir haben normal wie alle anderen so VAKV, dann haben wir ein halbes Jahr Zeit, eine eigene fotografische Arbeit umzusetzen. Wir haben einen Auftrag, wo wir glaube ich so 48 Stunden Zeit haben. Bei der Zwischenprüfung war es so ein Durchlauf und dann ist die Aufgabe, wir hatten jetzt das Thema „Fan von“ und dann haben wir Architekturaufnahmen, Objekte, Porträts und Reportage machen müssen. Du musst dir ein Thema überlegen und hast 48 Stunden Zeit, alle Themenbereiche abzudecken. Zum Teil musst du ein genaues Format einhalten, abspeichern und drucken in diesen 48 Stunden. Dann haben wir auch noch die Theorie. Bei der LAP haben wir einen Anteil an der Schule für Gestaltung und dann haben wir auch so einen Photoshop-Auftrag. Wir müssen unsere Monitore selbst aufbauen und kalibrieren, damit die Farben so sind wie auf dem Druck. Dann die Photoshop-Arbeiten, bei der Zwischenprüfung war der Durchlauf, die Photoshop-Prüfung allein hat 4 Stunden gedauert.

Ich finde, gerade im kreativen Bereich finde ich es schwierig zu bewerten und möchte gar nicht der Lehrer sein, der sagt, das gefällt mir oder das finde ich gut oder schlecht. Gibt es in der Fotografie Sachen, auf die sie Wert legen, um Noten zu geben? Das Kreative liegt ja immer im Auge des Betrachters.

Es kommt ganz darauf an, was man für einen Dozenten hat und was das Modul ist. Zum Beispiel, wir hatten Event-Fotografie und waren beim Zirkus Knie am Fotografieren. Unsere Dozentin hat gesagt, ihr ist technisch nicht so wichtig, ob das Bild verschwommen ist oder nicht. Es spielt für sie keine Rolle. Für sie ist wichtig zu sehen, was wir in diesen Momenten in dieser Vorstellung gesehen haben. Dann gibt es Dozenten, die sagen, technisch ist mir megawichtig und ich schaue, ob du die ISO richtig eingestellt hast, Blende und ob das Bild scharf ist, Farblehre. Es kommt darauf an, zum Beispiel bei der LAP bewerten sie recht streng. Bei meinen Architekturaufnahmen waren die Linien nicht ganz gerade und dann mussten sie schon einen Punkt abziehen.

Hast du schon eine Ahnung, wo es nach dem Abschluss der F+F für dich hingehen soll? Möchtest du eine Pause machen oder direkt starten? Hast du schon einen kleinen Plan, wie es danach für dich weitergeht?

Wir haben das Glück, dass wir nach der F+F noch einmal einen Aufenthalt machen dürfen, der unterstützt wird von der Mütiga (??). Es ist eine Stiftung in der Schweiz. Ein paar von uns machen die BMS und dürfen dann nicht ins Ausland gehen. Ich würde nach der F+F noch einmal schauen, dass ich irgendwo hingehe. Vielleicht bleibe ich auch in Berlin, das muss ich jetzt schauen, wie es mir dort gefällt und wie ich mich integrieren kann. Ich fände es cool, vielleicht ein paar Jahre in Berlin zu wohnen und dort mehr einen Namen zu machen oder mit meinem Kollegen in Liechtenstein etwas aufzubauen. Es ist schwierig, weil immer, wenn ich in Berlin bin, habe ich ein bisschen Heimweh nach Liechtenstein. Unsere Landschaft ist schön und das Kreative gibt es da auch, aber wir sind die neue Generation und irgendwie will man das dann schon hier noch verbreiten. Da muss ich schauen, ob ich dann noch so eine Art Kombination zwischen Berlin und Liechtenstein finde.

Okay, danke vielmals für deine Antworten. Es hat mega Spass gemacht, mit dir zu reden, und es ist auch ein megainteressantes Thema. Ich finde, es wird zu wenig darüber gesprochen, dass wir Liechtensteiner in Zürich etwas Kreatives lernen dürfen und das sogar so stark vom Land unterstützt wird. Darum danke ich dir vielmals, dass du heute da warst und alle Fragen beantwortet hast, die ich zu dem Thema hatte. Es hat mich gefreut.

Ja, danke dir und ich möchte allen jungen Leuten sagen, die jetzt noch in der Schule sind und bald abschliessen: Lasst euch nicht reinreden von euren Lehrern. Bei mir war es auch so, sie haben gesagt, mach die Kunstschule nicht, weil du danach keinen Job hast. Ich konnte mich persönlich mega entwickeln und es ist einfach viel zu viel Druck, dass man mit 15 schon wissen muss, was man werden will. Kreativ sein ist wichtig. Ich habe es auch jetzt gesehen an der F+F, es gibt auch noch die GBS in St. Gallen. Es gibt Wege, geht nochmals ins Amt für Berufsbildung oder schaut in der Kunstschule, es gibt immer wieder Flyer oder auf der Website oder Instagram. Lasst euch nicht in eine Lehre zwängen, wo ihr eigentlich gar nicht reinpasst.

Danke vielmals. Ich möchte mich bei allen Zuhörern recht herzlich bedanken und freue mich schon auf den nächsten Podcast. Tschüss und bis zum nächsten Mal.

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