Warum politische Bildung in Liechtenstein endlich ernst genommen werden muss.
Vor 10 Jahren, das heisst im Jahr 2014, lancierte der Jugendrat Liechtenstein eine Umfrage an den weiterführenden Schulen des Landes, in welcher die Schülerinnen und Schüler wichtige politische und allgemeine Fragen zum Land Liechtenstein beantworten mussten. Die Auswertung ist erschreckend, doch bis heute hat sich so gut wie nichts getan.
Die Ausgangslage
Wenn sich gerade einmal 13,7 Prozent der Jugendlichen aktiv über das politische Geschehen in Liechtenstein informieren und nicht einmal 33 Prozent vier Landtagsabgeordnete aufzählen können, ist das für ein Land doch sehr alarmierend. Diese erschreckenden Werte gingen 2014 aus einer Schulumfrage des Jugendrat Liechtensteins hervor, auf die ich kürzlich gestossen bin. Doch nicht nur das, denn nicht einmal ein Viertel der 591 befragten 13- bis 20-Jährigen wusste, dass der Landtag durch den Fürsten und nicht durch die Regierung oder das Volk ernannt wird und man könnte noch viele weitere erschreckende Beispiele aufzählen.
2014 war die politische Bildung der Jugendlichen dementsprechend nicht sehr prächtig. Seither wurde zwar keine solche Umfrage mehr durchgeführt, aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Werte höchstwahrscheinlich in etwa gleichgeblieben sind, wenn nicht sogar schlechter geworden. Nur wenige Jugendliche kennen das politische System Liechtensteins auch nur annähernd. Und obwohl dies schon vor zehn Jahren offensichtlich war, hat sich bis heute kaum etwas geändert, geschweige denn es hat sich verbessert.
Politik in der Schule
In der Primarschule lernt man einmal auswendig, wie der Fürst heisst, wie gross das Land ist und dass Liechtenstein eine „konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratisch-parlamentarischer Grundlage“ ist. Damit kann man als 10-Jähriger oder 10-Jährige nicht viel anfangen, also vergisst man es wieder oder merkt es sich nur, um vor den Eltern oder Freunden mit diesem „Fun Fact“ anzugeben. Mehr obligatorische politische Bildung gibt es dann auch nicht.
In der Oberstufe am Gymnasium hatten wir noch einmal einen kurzen Workshop über Politik in Liechtenstein, aber auch da haben wir das Thema nur gestreift und es wurde sehr langweilig vermittelt, so dass die meisten danach nichts mehr mit dem Thema zu tun haben wollten. In der 7. Klasse kann man freiwillig das Wahlpflichtfach „Politik in Liechtenstein und Umgebung“ wählen, aber das wählen meistens diejenigen, die sich schon vorher ein bisschen für Politik interessiert haben und nicht diejenigen, denen man erst noch die Politik schmackhaft machen muss. Auch an der Realschule Vaduz wird die politische Landschaft Liechtensteins nur in ca. 2 bis 4 Lektionen kurz gestreift.
Politik im Lehrplan
Im Liechtensteinischen Lehrplan (LiLe), der für alle Schulstufen von der ersten bis zur neunten Klasse gilt, wird der Begriff „Politik“ nur sehr vage erwähnt. Er gehört vor allem zum Unterpunkt „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (BNE) und ist nur so weit ausformuliert, dass ein allgemeines Verständnis für Politik, Demokratie und Menschenrechte vermittelt werden soll. Davon, dass explizit etwas über die Politik Liechtensteins gelernt werden soll, ist nie die Rede. Im Lehrplan für die Oberstufe des Gymnasiums ist Politik mit besonderem “Augenmerk auf das Fürstentum Liechtenstein” zwar im Fach Geschichte verankert. In der Praxis wird aber leider auch dies kaum umgesetzt.
Das ist schade und für ein Land, das auch in Zukunft fortschrittlich sein will, sicher nicht wünschenswert. Die Wahlbeteiligung im Land sinkt und es gibt immer mehr junge Menschen, die zwar wahlberechtigt wären, aber nicht wählen gehen, weil ihnen Politik zu kompliziert oder zu sinnlos erscheint. Um genau diese Menschen in Zukunft nicht zu verlieren, ist eine gute politische Bildung im jungen Alter das A und O. Diese wird bei uns aber mehr als nur vernachlässigt. So kann es meiner Meinung nach nicht weitergehen.
Was könnte die Lösung sein?
Tolle kleine Projekte wie z.B. easyvote gibt es bereits, aber für einen Wandel ist das einfach zu wenig. Eine Politikwoche für jede weiterführende Klasse oder gar ein eigenes Schulfach wären wichtig, um das Interesse an der Politik wieder zu stärken. Eine gelungene Politikwoche stelle ich mir so vor, dass nicht nur trockene Theorie schnell abgearbeitet wird, sondern das Ganze mit spannenden Exkursionen, Diskussionen und Aufgaben verpackt wird, so dass das Interesse der Schülerinnen und Schüler geweckt wird, mehr wissen zu wollen. Danach könnten weitere spannende Aktivitäten (obligatorisch oder fakultativ) angeboten werden, in denen Interessierte ihr Wissen vertiefen können. Ein neues Schulfach wäre vielleicht schwieriger durchzusetzen, aber die Politik des Landes und aktuelle Diskussionen könnten z.B. auch im Fach Geschichte für viel Gesprächsstoff sorgen und sollten dort stärker in den Lehrplan integriert werden.
Wenn Politik unter den Jugendlichen wieder cooler wird und nicht als langweilig, komisch und kompliziert abgestempelt wird, wäre es in Zukunft sicher wieder leichter, Kandidatinnen und Kandidaten für Wahlen zu finden und höhere Stimm- bzw. Wahlbeteiligungen zu erreichen.
Wahlalter 16
Ein weiterer Aspekt, der in die Diskussion um die politische Bildung einfliesst, ist das gescheiterte Vorhaben der Jungen Liste/Freien Liste, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken. Dieser Antrag wurde im Landtag 2022 mit 13 zu 12 Stimmen abgelehnt. Ein Wahlalter von 16 Jahren hätte nicht nur die politische Beteiligung von Jugendlichen gefördert, sondern hätte auch einen stärkeren Anreiz für Jugendliche geschaffen, sich für Politik zu interessieren und selbst Einfluss darauf zu nehmen. Denn wer will sich schon mit Politik beschäftigen, wenn er/sie ohnehin nichts mitbestimmen, geschweige denn verändern kann.
Quellen:
Weiterführende Links:
- https://www.easyvote.li
- https://www.easyvote.li/lexikon
- https://www.fuerstundvolk.li/fuv/home.do
- https://www.landtag.li
- https://www.regierung.li
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Severin
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